von Cordula Spangenberg

Mit dem Evangelium raus auf die Straße

Weil den Christen des Mittelalters die Feier des Abendmahls am Gründonnerstag nicht reichte, bekamen sie im 13. Jahrhundert mit Fronleichnam ein neues Fest zur Verehrung des Allerheiligsten.

Schwester Juliana hatte einen Traum: Sie sah die weiße Mondscheibe, die hatte einen dunklen Fleck. Für die fromme Augustinernonne aus Lüttich, kaum 18 Jahre alt, konnte das nichts anderes bedeuten, als dass der Kirche ein Fest fehlen müsse, um das Altarsakrament besonders zu verehren. Papst Urban IV. gefiel die Idee. Man schrieb das Jahr 1264, als er das neue Fest Fronleichnam zum hohen Feiertag der gesamten Kirche erhob.

Denn die eher traurige Feier des letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern am Gründonnerstag kurz vor seinem Tod reichte den Christinnen und Christen nicht. Sie wollten die Hostie mit einem rauschenden Fest verehren. Dafür bot sich der erste „freie“ Donnerstag nach Gründonnerstag, der 50 Tage dauernden Osterzeit, Christi Himmelfahrt und der achttägigen Pfingstoktav an. Einige Jahrzehnte später setzte sich der Brauch durch, die geweihte Hostie an diesem neuen Festtag durch die Straßen zu tragen, und zwar nicht wie zuvor in einem verschlossenen Gefäß, sondern in einer prächtigen Monstranz.

Fronleichnam ist das Fest der „Augenkommunion“

Der Einsetzung des Fronleichnamsfests vorausgegangen war die mittelalterliche Sorge der Gläubigen, sie könnten den Leib Christi womöglich in unwürdigem, sündigen Zustand empfangen, weshalb die Hostie mehr und mehr nicht verzehrt, sondern in der „Augenkommunion“ angebetet wurde. Aus dieser Zeit stammt übrigens auch der Brauch, die Hostie in der Messe während der Wandlung zu heben und zu zeigen.

Leider hat man es dann übertrieben mit Prozession und Aussetzung

Leider hat man es in den folgenden 200 Jahren ziemlich übertrieben. Die Häufigkeit der Aussetzungen des Allerheiligsten, der Andachten und Prozessionen nahm geradezu inflationär zu. Schließlich wurde es dem verantwortlichen Klerus selbst zu bunt, hatte er doch Sorge, es könne den Leuten auf Dauer an der nötigen Ehrfurcht vor dem Allerheiligsten fehlen. Einschränkende Regeln wurden aufgestellt, allerdings mit mäßigem Erfolg.

Lange Zeit verdarben die Konfessionen sich gegenseitig die hohen Festtage

Angesichts der Auswüchse rund um Fronleichnam hatte Martin Luther 1527 einiges an Kritik vorzubringen an dem „allerschädlichsten Jahresfest“. Tatsächlich wurden die unterschiedlichen Haltungen zum Altarsakrament zum konfessionstrennenden Merkmal, und die Mitglieder der beiden Schwesterkirchen nahmen dies zum Anlass, sich an ihren hohen Festtagen bis weit ins 20. Jahrhundert gegenseitig auf die Nerven zu gehen: Die Protestanten hängten an Fronleichnam die Wäsche zum Trocknen an den Prozessionsweg, die Katholiken klopften am Karfreitag Teppiche aus.

Darum geht es heute: Das Evangelium in die Welt hinaustragen

Inzwischen hat man sich besonnen. Karfreitag ist schließlich auch für Katholiken ein äußerst wichtiger Tag im Kirchenjahr. Und an vielen Orten beteiligen sich evangelische Gemeinden mit einer eigenen Statio und gemeinsamem Gebet an der Fronleichnamsprozession der katholischen Nachbargemeinde. Ihr konfessionsverbindendes Anliegen: Das Evangelium in die Welt hinauszutragen.

Pressestelle Bistum Essen

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