von Thomas Rünker

Christi Himmelfahrt und Vatertag: Bibel trifft Bollerwagen

In einigen Regionen Deutschlands ist Christi Himmelfahrt schon lange ein Tag für Männer-Touren mit reichlich Alkohol. Die womöglich gemeinsamen Wurzeln Prozession und Trinkgelage liegen im historischen Nebel vergangener Jahrhunderte. Verglichen damit ist die Idee des Vatertags eine relativ moderne.

Am Vatertag steht erst einmal der Sohn im Mittelpunkt – zumindest für Christinnen und Christen: Denn an Christi Himmelfahrt, in diesem Jahr am Donnerstag, 9. Mai, feiern die christlichen Kirchen rund um den Globus, dass Jesus 40 Tage nach seiner Auferstehung an Ostern zu seinem Vater in den Himmel aufgefahren ist. In der Apostelgeschichte berichtet die Bibel, wie Jesus einige letzte Worte an seine Jünger richtet und ihnen als Beistand den Heiligen Geist ankündigt, der wiederum am Pfingstfest im Mittelpunkt steht. Dann heißt es: „Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.“ (Apostelgeschichte 1,9).

Dass diese immerhin seit dem 4. Jahrhundert gefeierte christliche Tradition mittlerweile vielfach von weltlichen Vater- oder Herrentags-Ritualen überlagert wird, ist keineswegs neu und stammt – anders als etwa Halloween oder der Weihnachtsmann – höchstens indirekt aus Amerika. Bereits im späten 19. Jahrhundert nutzten Männer den Frühlingstag für eine Ausfahrt ins Grüne. In und um Berlin kommen um das Jahr 1900 Touren zum „Herrentag“ in Mode, wobei sich die Bezeichnung wohl von Beginn an auf die Teilnehmer bezog – und nicht etwa auf den christlichen „Herrn“ Jesus und dessen Himmelfahrt anspielte. Andere Quellen verweisen indes auf Himmelfahrtsprozessionen, die bereits im 17. Jahrhundert in Trinkgelagen geendet seien. Womöglich hat im Laufe der Zeit die Prozession an Bedeutung verloren – und der Promille-Gehalt gewonnen. Alkoholgenuss in Gruppen soll jedenfalls auch im Berlin der Jahrhundertwende ein deutliches Kennzeichen der Gestaltung dieses Feiertags gewesen sein. Der lädt in Ostdeutschland strenggenommen bis heute als „Herrentag“ deutlich mehr Männer zum Feiern ein als der in Nordrhein-Westfalen geläufigere „Vatertag“.

Väter werden auch am Josefstag geehrt

Für den Vatertag gibt es dann doch wieder ein US-Vorbild: Sonora Smart Dodd (1882-1978) wuchs als Tochter des Bürgerkriegs-Veteranen William Jackson Smart und seiner Frau Ellen Victoria Cheek auf, die bei der Geburt ihres sechsten Kindes starb. Als einzige Tochter zog Sonora ihre fünf Geschwister gemeinsam mit ihrem Vater auf. Als sie von dem 1908 eingeführten Muttertag hört, setzt sie sich dafür ein, das auch Männern wie ihrem alleinerziehenden Vater gedankt wird. Es dauert bis 1972, bis Präsident Richard Nixon den Father’s Day fest im US-Kalender verankern lässt – allerdings am 3. Sonntag im Juni. Einige Länder übernehmen Gedenktag und Termin. In anderen, katholisch geprägten Ländern wie Spanien, Italien oder Portugal werden die Väter indes bereits am 19. März geehrt, dem Gedenktag des heiligen Josef, Jesus Ziehvater.

In Deutschland und Österreich hat der Vatertag nach und nach die Tradition des reinen Männer- oder Herrentags zumindest ergänzt. Ähnlich wie beim Muttertag wird dafür gemeinhin weniger eine neu entdeckte Liebe der Kinder zu ihren Eltern oder womöglich das vierte Gebot („du sollst Vater und Mutter ehren“) verantwortlich gemacht als vielmehr clevere Marketingstrategien von Handelsunternehmen, die einen großen Geschenkebedarf und damit lohnende Geschäfte witterten. Terminlich bot sich für den Vatertag hierzulande auch deshalb Christi Himmelfahrt an, weil dieser seit einer Feiertags-Reform durch die Nationalsozialisten seit 1934 arbeitsfrei war – und dies bis heute geblieben ist.

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