von Thomas Rünker

„Wort zum Sonntag“: Nach Pannenstart seit 70 Jahren auf Sendung

Der Essener Pfarrer Gereon Alter hat zwölf Jahre lang samstagabends im ARD-Programm zu einem Millionenpublikum gesprochen. Zum Geburtstag der zweitältesten Sendung im deutschen Fernsehen spricht er über besondere Beiträge, außergewöhnliche Seelsorge und die Zukunftsaussichten eines TV-Dinosauriers.

„Wort zum Sonntag“ feiert 70 Jahre als TV-Ruhepol am Samstagabend

Pfarrer Gereon Alter spricht über Herausforderungen und Reaktionen auf christliche TV-Kommentare.

Erinnerungen an Loveparade-Katastrophe, Terroranschläge und Ice-Bucket-Challenge

Pfarrer Klaus Mund hat Pech gehabt. Er stand am 1. Mai 1954 bereit, um das „Wort zum Sonntag“ auf die Bildschirme der Wirtschaftswunder-Bundesrepublik zu schicken. Doch dann verhindert ein Kabelbruch, den Live-Beitrag des damaligen Chefs des Aachener Hilfswerks „missio“. So beginnt erst eine Woche später mit dem evangelischen Pfarrer Walter Dittmann aus Hamburg die 70-jährige Geschichte der zweitältesten deutschen TV-Sendung – nach der Tagesschau –, die bis heute zu den Kirchensendungen mit den höchsten Einschaltquoten gehört.

Diese lange Geschichte sei „Erbe und Last zugleich“, sagt der Essener Pfarrer Gereon Alter. Er hat in zwölf der 70 Jahre insgesamt 100 TV-Worte zum Sonntag gesprochen und weiß: „Fast alle kennen das ,Wort zum Sonntag‘.“ Das sei das wertvolle Erbe. Doch zugleich habe jede und jeder ein ziemlich festgefahrenes, fast klischeehaftes Bild zu der kurzen Sendung im Kopf, die am Samstagabend meist gleich nach den ARD-Tagesthemen läuft, die Otto parodiert und die Toten Hosen inspiriert hat. Dieses fest geprägte Bild sei nicht gerade förderlich für Innovationen, so Alter.

TV-Ruhepol zum Wochenausklang

Ist das „Wort“ mit seinen 70 Jahren schon in der Fernseh-Welt ein Dinosaurier, so scheint das Format eines drei- bis vierminütigen Monologs mit ganz wenigen Schnitten und Kameraeinstellungen für die Instagram- und TikTok-Welt völlig aus der Zeit gefallen. Alter hat stets dafür geworben, häufiger raus aus dem Studio zu gehen, hat von Katholikentagen und den Finalentscheidungen der Eurovision Song Contests (ESC) gesprochen. Doch bis heute sind Außenaufnahmen die große Ausnahme, im Studio ist die Produktion wetterunabhängig, besser planbar und wohl schlicht kostengünstiger. Und vielleicht schätzt mancher vor dem Fernseher ja auch gerade diesen ruhigen Moment zum Wochenausklang. Alter ist sich sicher: „Kaum jemand schaltet das ,Wort zum Sonntag‘ bewusst ein.“ Trotzdem erreicht die kurze Sendung am Samstagabend im Schnitt deutlich über einer Million Menschen. Das sind nicht viel weniger als die, die jedes Wochenende einen christlichen Gottesdienst besuchen.

Das „Wort zum Sonntag“ sei keine „Fernsehandacht“ und auch keine „TV-Predigt“, sagt Alter. Er umschreibt die Sendung vielmehr als einen „christlichen Wochenkommentar“ zu Themen, die die Menschen bewegen. Das erfordert von den Sprecherinnen und Sprechern gelegentlich aktuelle Reaktionen. So hat Alter über die Loveparade-Katastrophe in Duisburg gesprochen, über das Atomunglück in Fukushima oder den Terroranschlag in Hanau. Und zu Zeiten der „Ice Bucket Challenge“ hat er sich vor laufender Kamera eine Wanne mit Eiswasser über den Kopf schütten lassen.

Beantwortung von Rückmeldungen ist zeitaufwendig

Neben Themenfindung und Texten mache vor allem die Nachbereitung und das Beantworten der vielen Zuschauerreaktionen „mindestens die Hälfte der Arbeit aus“, so Alter. Dabei gehe es durchaus um Seelsorge, betont der Pfarrer und berichtet von Menschen, „die einsam sind oder anderweitig in Not und dann über das ,Wort zum Sonntag‘ ein Gesicht finden, bei dem sie sich melden können“. So habe ihn ein Senior aus Berlin mal direkt gefragt, „ob ich nicht eine Frau für ihn habe“. Ob der Mann mittlerweile eine Partnerin hat, wisse er nicht – aber zumindest den Kontakt zur örtlichen Kirchengemeinde konnte Alter herstellen in der Hoffnung, dass es dort Angebote gibt, die dem Senior aus seiner Einsamkeit heraushelfen.

Gerade in jüngerer Zeit machten jedoch die Sprecherinnen und Sprecher des „Wort zum Sonntag“ die gleiche Erfahrung wie andere Menschen, die sich in den Medien positionieren: Anstelle konstruktiver Kritik entwickelt sich eine Flut an Kommentaren, Hass und Aggressionen. Diese gingen auch beim „Wort zum Sonntag“ „in Einzelfällen bis zu Morddrohungen“, so Alter. Er selbst habe bei seinem Beitrag vom Katholikentag 2018 in Münster „die aufgehetzte Sprache der AfD“ kritisiert und danach ähnlich aggressive Erfahrungen gemacht.

Trotz 70 Jahren Fernsehgeschichte ist sich Alter sicher, „dass auch das ,Wort zum Sonntag‘ irgendwann ein Ende haben wird. Genauso wie ja auch das Fernsehen insgesamt immer mehr in Richtung der Sozialen Medien verliert“. Alter selbst begleitet das „Wort zum Sonntag“ nun aus der Beobachterposition. Seine Kameraerfahrung bringt er gelegentlich noch in Fernseh-Gottesdienste ein, zum Beispiel beim ökumenischen Silvestergottesdienst 2022 aus dem Oberhausener Gasometer oder im vergangenen Februar aus der Pfarrkirche St. Suitbert in Essen-Überruhr. Daneben hat Alter die neue freie Zeit seit seinem Ausstieg beim „Wort zum Sonntag“ unter anderem in ein Buch-Projekt gesteckt: „Wer radelt der findet“ ist seit Ende Februar auf dem Markt und Alter seitdem immer wieder zu Lesungen angefragt.

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